Lebensmittel-Unverträglichkeitstest selbst gemacht – Teil 2

Nachdem ich mir – wie im ersten Teil beschrieben – selbst Blut abgenommen und die Probe im dafür bestimmten Rücksendebeutel am späten Dienstagabend in den Briefkasten geworfen hatte, bekam ich bereits am Montag darauf eine Mail von der cerascreen Kundenbetreuung. Der Betreff: Ihr Ergebnisbericht liegt bereit. Der Link in der Mail führte mich direkt zu meinem persönlichen Account Mein cerascreen, in dem sich ein 28-seitiges PDF zum Download befand.

Um es schon vorwegzunehmen: Bis auf eine minimale bis schwache Reaktion auf Dinkel und eine leichte bis mäßige Reaktion auf Mandel wurde nichts weiter festgestellt. Nun aber erstmal dazu, was und wie überhaupt getestet wurde.

Testung auf spezifische Antikörper

Mein Blut wurde auf das Vorhandensein von spezifischen IgG4-Antikörpern gegen
ausgewählte Nahrungsmittel und repräsentative Nahrungsmittelgruppen untersucht, die erfahrungsgemäß häufig im Zusammenhang mit chronischen Beschwerden stehen, wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind. Außerdem wurde geprüft, ob mein Körper Zeichen einer IgE-Sensibilisierung auf eine Zusammenstellung von Nahrungsmitteln zeigt, die in Europa 95% der Allergien auslösen. Der IgG4-Test zeigte bei mir die oben beschriebenen Reaktionen, IgE-Antikörper wurden dagegen nicht gefunden.

IgG4 und IgE – was ist das?

Wenn die Darmflora gestört ist, kann der Darm durchlässig für Nahrungsbestandteile werden, sodass Antikörper im Blut darauf reagieren und über entzündungsähnliche Effekte verschiedenste Symptome auslösen können. Über die Immunglobuline (Ig) E werden die klassischen Nahrungsmittelallergien vermittelt. Werden diese nachgewiesen, liegt eine Sensibilisierung gegen bestimmte Nahrungsmittel vor. Das heißt aber nicht zwingend, dass eine Allergie vorliegen muss. Aus dem Ergebnisbericht:

Wenn Sie im IgE-Test reagieren, aber keine Symptome spüren, kann dies ein Zeichen
dafür sein, dass Ihr Körper einen Selbstschutz aufgebaut hat (Immuntoleranz). In
diesem Fall sollten Sie das Lebensmittel ohne Rücksprache keinesfalls auslassen,
sondern die normalen Verzehrgewohnheiten beibehalten.

Der Grad der Sensibilisierung bedeutet nur, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, auf bestimmte Lebensmittel allergisch zu reagieren.

Andersherum kann der IgE-Test negativ ausfallen, es können aber trotzdem starke Symptome auftreten. In diesem Fall wird geraten, sofort einen Allergologen aufzusuchen.

Mit dem IgG4-Test sollen Unverträglichkeiten aufgdeckt werden. Ohne vorherigen oder gleichzeitigen IgE-Test ist er allerdings wertlos. Im Prinzip ist er für die Menschen gedacht, bei denen keine Allergie vorliegt, die aber nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel Beschwerden, z.B. Bauchschmerzen oder Blähungen, haben.

Auch hier gilt: Eine erhöhte Konzentration an IgG4 gegen ein Lebensmittel muss nicht zwangsläufig Beschwerden auslösen. Die Reaktion zeigt bloß an, dass sich das Immunsystem im Dünndarm verstärkt mit dem Lebensmittel auseinandersetzt und Antikörper ausschüttet.zusammenfassung-antikoerper

Was bringt mir der Test?

Mein Immunsystem scheint sich mit Dinkel und Mandeln zu beschäftigen. Da ich weder Bauchschmerzen habe, noch irgendwelche anderen Symptome, spielt diese Erkenntnis keine Rolle für meine Ernährung. Für Menschen, die an an unerklärlichem Kopf- oder Bauchweh, Schwindel oder Müdigkeit leiden und Nahrungsmittel in Verdacht haben, könnte der Test auf Lebensmittel-Unverträglichkeiten aber bei der Suche nach der Ursache helfen. So berichtet eine Kundin auf der cerascreen-Website, dass sie jahrelang an Bauchkrämpfen litt und kein Arzt die Ursache fand. Durch den Selbsttest weiß sie nun, dass sie Kasein nicht verträgt, kann auf Milch, Käse & Co. verzichten, und so beschwerdefrei leben. Grundsätzlich vertraue ich den Ärzten, aber gerade bei unspezifischen Symptomen kann es häufig lange dauern und nervig sein, bis eine Ursache feststeht – das hat wohl jeder schon mal erlebt oder im Freundeskreis gehört. Unter Umständen kann der Test also dazu beitragen, einer Unverträglichkeit auf die Spur zu kommen. Wissenschaftler sehen das jedoch kritisch.

Wissenschaftler raten von Selbsttests ab

Tests auf IgG4, wissenschaftlich auf eine nicht-allergische Hypersensitivität, entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Medizin und Ernährungswissenschaft, wie Dr. Sabine Schmidt im Mai auf der Website der Fachzeitschrift Ernährungsumschau schrieb. Ihre Argumente:

Laut allergologischer Fachgesellschaften sind IgG4-Antikörper gegen Nahrungsmittel nicht als Indikator für krank machende Vorgänge misszuverstehen, sondern Ausdruck der natürlichen Immunantwort des Menschen nach wiederholtem Kontakt mit Nahrungsmittelbestandteilen.

Nicht-allergische Hypersensitivitäten können nach heutigem Kenntnisstand nicht mit einem Bluttest verifiziert werden, sondern erfordern eine gründliche Anamnese eines erfahrenen Allergologen, verbunden mit einer optimalerweise durch eine ernährungstherapeutische Fachkraft betreute Eliminationsdiät, in der zeitweise zu diagnostischen Zwecken auf mögliche Auslöser der Unverträglichkeit verzichtet wird, mit nachfolgendem Provokationstest.

Die Testung auf 60 bis 80 Lebensmittel wird von den Fachleuten ebenfalls als kontraproduktiv bewertet. Weil oft eine Reihe von Lebensmitteln identifiziert werde, ohne Überprüfung auf klinische Relevanz, könne der unnötige Verzicht auf diese die Ernährungsvielfalt stark einschränken. So weit zur Kritik.

Mein Fazit

Die wissenschaftliche Kritik zielt in erster Linie darauf ab, dass IgG-Tests nicht wirklich etwas über die Unverträglichkeit gegenüber Lebensmitteln aussagen und dass der Verzicht auf positive getestete Nahrungsmittel die Nährstoffversorgung unnötigerweise gefährden könnte. Über andere Anbieter in dem anscheinend boomenden Markt kann ich nichts sagen, aber im cerascreen-Ergebnisbericht ist an allen Ecken und Enden ausgeführt, dass die gemessenen Reaktionen noch nichts über die klinische Relevanz aussagen und dass der Test ohne Beratung keine vollständige Diagnose ersetzt. Außerdem wird wiederholt darauf hingewiesen, dass eine größere Ernährungsumstellung nur in Rücksprache mit einem Ernährungsberater erfolgen sollte. Auch vor eigenmächtigem Verzicht auf mehrere Lebensmittel wird gewarnt:

Bitte verzichten Sie in Ihrer Ernährung nicht gleichzeitig auf alle Lebensmittel die
Reaktionen gezeigt haben, da es sonst zu einer Fehl- und Mangelernährung kommen
kann. Vielmehr sollten Sie immer nur je ein betroffenes Lebensmittel für eine Zeit lang
meiden. Wenn es hier zu einer Besserung der Symptome gekommen ist, bzw. bei
einer erneuten Aufnahme in den Speiseplan die Symptome wiederkehren, ist ein
Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und einer Unverträglichkeit sehr
wahrscheinlich.

Ob man unbedingt 99,00 Euro in die Hand nehmen muss, um sein Blut auf potenzielle Lebensmittel-Unverträglichkeiten testen zu lassen, sei mal dahingestellt. Wer das aber für sich entscheidet und dafür die von mir getesteste Firma wählt, der ist sich zumindest bewusst, dass dieser Test nur Indizien für das Vorliegen von Unverträglichkeiten liefern kann. Alles Weitere sollte am besten mit einer qualifizierten Ernährungsfachkraft abgeklärt werden. Adressen von Oecotrophologen mit dem Schwerpunkt Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien gibt es im Expertenpool des BerufsVerbandes Oecotrophologie.

Melanie Kirk-Mechtel
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