Nylonstrümpfe und Plastikflaschen aus Chicorée-Wurzelrüben

Die Wurzelrüben sind das, was bei der Produktion von Chicorée in Massen als Abfall anfällt. Nun haben Forscher der Uni Hohenheim eine Basis-Chemikalie für die Kunststoff-Industrie daraus gewinnen können. Aus dem Hydroxymethylfurfural (HMF) lassen sich zum Beispiel Nylonstrümpfe und Plastikflaschen herstellen.

Rund 800.000 Tonnen an Chicorée-Wurzelrüben fallen jährlich in Europa als Abfallprodukt an. Bislang werden sie kompostiert oder zu Biogas verarbeitet.

Herstellung von Chicorée-Salat

Chicorée wird in so genannten Wasser-Treibereien gezogen. Nach fünf Monaten auf dem Acker werden die Wurzeln geerntet und verbringen die nächsten drei Wochen in Plastikkörben, wo sie von einer Nährlösung umspült werden. Im Dunkeln treiben aus den Wurzelrüben die Chicorée-Salatknospen aus. Einen Beitrag zur Chicorée-Produktion habe ich vor einiger Zeit auf docfood.info veröffentlicht.

Ist der Chicorée-Salat geerntet, bleiben die Wurzelrüben als Abfall zurück.

Die Wurzelrübe macht ca. 30 % der Pflanze aus. Die eingelagerten Reservekohlenhydrate werden für die Bildung der Salatknospen nicht vollständig aufgebraucht, so dass wertvolle Reservestoffe verbleiben. Die Wurzelrüben können jedoch nur einmal für die Chicorée-Treiberei genutzt werden, fallen nach der Knospenernte als Abfallstoff an und müssen entsorgt werden., erklärt Dr. Judit Pfenning, Agrarbiologin an der Uni Hohenheim.

HMF-Gewinnung aus Chicorée

Werden die gehäckselten Chicorée-Wurzelrüben mit verdünnter Säure auf bis zu 200 °C erhitzt und in mehreren Schritten weiter aufbereitet, entsteht ein gelb bis braun gefärbtes kristallines Pulver: ungereinigtes Hydroxymethylfurfural (HMF), eine von 12 Basischemikalien, die zukünftig in der Kunststoffindustrie verwendet werden. Es dient als Ausgangsstoff für Nylon, Perlon, Polyester oder Kunststoffflaschen. Der Vorteil: Bisher werden solche Stoffe aus Erdöl gewonnen. Durch den Einsatz von HMF kann die Industrie dagegen auf fossile Rohstoffe verzichten.

Eine Herausforderung bei dem Projekt ist allerdings, dass HMF aus Chicorée-Wurzeln eine gleichbleibende Qualität haben muss, um für die verarbeitende Industrie interessant zu sein.

Die Voraussetzungen sind an sich gut, erklärt Dr. Pfenning. Auch der Verbraucher, der Chicorée essen will, stellt hohe und einheitliche Qualitätsansprüche an die Chicorée-Salatknospen. Deshalb gelangen nur vergleichsweise einheitliche, höherwertige Wurzelrüben vom Acker in die kommerzielle Wasser-Treiberei.

Ein zweiter Knackpunkt: Die Chicorée-Produktion ist ein Saisongeschäft. Daher müssen Wege gefunden werden, die Wurzelrüben ohne Qualitätsverlust zu lagern, damit die Zulieferer der chemischen Industrie konstant beliefert werden und ihre Anlagen kontinuierlich auslasten können.

Hohes Potenzial von HMF aus Chicorée

Was das Projekt der Hohenheimer Wissenschaftler noch aussichtsreicher macht:

Die Chicorée-Wurzelrübe eignet sich nicht nur deshalb so gut zur Gewinnung von HMF, weil sie ein Abfallprodukt ist, betont Prof. Dr. Anja Kruse. Sie produziert auch eine höherwertige Chemikalie als das Äquivalent aus Erdöl.

Dadurch könnten PEF-Flaschen aus Chicorée-HMF beispielsweise dünner gezogen werden, als solche aus Erdöl-PET. Das spart Transportkosten und verbessert die Umweltbilanz noch weiter.

Ökonomisch ist es nach Meinung der Wissenschaftler außerdem sinnvoller, HMF aus Chicorée für die Kunststoff-Herstellung zu verwenden, als die Wurzeln für die Biogas-Erzeugung einzusetzen: HMF aus etwa 220.000 Chicorée-Wurzeln pro Hektar kann für mehr als 5,5 Millionen Euro verkauft werden. Strom aus Biogas dieser Menge Wurzelrüben würde nach dagegen nur rund 21.000 Euro einbringen.

Quelle: Universität Hohenheim

Melanie Kirk-Mechtel
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